Bericht zur BDV 2018 zu Europa und Internationales

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
liebe Frau Ehrenpräsidentin Büttner, die Sie uns bereits bei der Gründung des ACE dort repräsentiert haben,
lieber Herr Dr. Rauch, der Sie als mein Vorgänger die VfA 12 Jahre im ACE vertreten haben,

es freut mich sehr, Sie und euch hier und heute begrüßen zu dürfen. Denn diese Stadt Görlitz mit ihrem östlichen Teil Zgorzelec spiegelt die europäische Geschichte der letzten hundert Jahre wider.
Ursprünglich eine Stadt, durch die die Neiße floss, wurde sie nach dem 2. Weltkrieg in einen deutschen Teil und in einen polnischen Teil getrennt. Heute, nach dem Beitritt Polens zur EU 2004 und zum Schengener Abkommen 2007, ist die Grenze zwischen diesen beiden Stadtteilen wieder fast unsichtbar geworden.
Für die VfA, die sich bereits seit über 20 Jahren im ACE, dem Architects Council of Europe engagiert, ist dies der ideale Ort für ihren 60. Geburtstag. Auch und gerade weil wir sehen, dass europakritische und nationalistische Stimmungen - ja auch Regierungen - das Einigungswerk immer wieder in Frage stellen und gefährden.

Uns geht es heute darum, unseren Teil dazu beizutragen, dass die Bindungen gestärkt werden. Vielleicht kann der heutige Tag einerseits unser Verständnis für Länder wie Polen, Tschechien und Ungarn fördern, die sich endlich vom Joch der Sowjetunion befreit haben und nun fürchten, unter das Joch der EU zu geraten und andererseits das Verständnis der polnischen Seite, dass die EU keine neue Hegemonialmacht ist, sondern eine Wertegemeinschaft. Dass unsere Bindekraft nicht die Angst ist, sondern die Hoffnung auf eine friedlichere, eine gerechtere, kurz eine bessere Welt.

Wie Sie inzwischen sicher alle wissen, wurde das Jahr 2018 zum Europäischen Kulturerbe-Jahr erklärt. Das umfasst nicht nur Literatur, Musik, Bildhauerei und Malerei, sondern nicht zuletzt die Architektur. Doch so selbstverständlich, wie das für uns klingt, ist das nicht. Nur zu gern versucht man uns in der EU-Kommission zur Bauindustrie zu zählen und das klingt nach allem anderen nur nicht nach Baukultur.

Um so erfreulicher war es, als Ende Januar von den Kultusministern der EU und vielen anderen Beteiligten – in Neudeutsch: Shareholders – wie z.B. Georg Pendl, der Präsident des ACE die „Davoser Erklärung zur Baukultur“ erarbeitet und veröffentlicht worden ist. Dort wird nun endlich die wichtige Rolle von Architektur und Städtebau für das Zusammenleben und das Wohlbefinden der Bürger anerkannt und seine Verbesserung zur EU-Politik erklärt. Die erste Evaluierung soll in 10 Jahren stattfinden. „Schaung ma moi, dann seng ma scho“, wie wir in Bayern gerne sagen.

Von der ACE-Sitzung im April in Brüssel habe ich ausführlich im Berliner Brief berichtet. Inzwischen hat sich die Arbeitsgruppe „Women in Architecture“ gebildet. Sie könnte aber noch gut Unterstützung brauchen. Wer sich von Ihnen hier gerne engagieren möchte, die wäre sehr willkommen.

Wie geht es nun unseren wichtigen Dauerthemen:

• HOAI: Am 7.11.2018 findet die Anhörung Deutschlands vor dem EuGH in Straßburg statt. Vertreten wird Deutschland von Juristen aus dem Wirtschaftsministerium; Begleitschutz geben nicht nur Prof. Niebergall und Dr. Schnepel von der BAK, sondern auch Vertreter des AHO und der Bundesingenieurekammer.

• Aus dem Dienstleistungspaket sind nur noch 2 Themen übriggeblieben:

a) Die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Reglementierungen, die schon bestehen und von der ich Ihnen unter dem Schlagwort „Transparenzinitiative „ schon öfter berichtet habe.

b) Die Notifizierung von neuen Gesetzen, die neue Regulierungen einführen. Die Prüfung liegt hier zwar im Hoheitsbereich der Mitgliedsstaaten. Die große Frage ist aber, was passiert, wenn ein Mitgliedsstaat ein Gesetz durchwinkt und die Kommission ihr Veto einlegt. Im Grunde teilt der Mitgliedsstaat sein neues Gesetz der Kommission nur mit. Aktueller Fall, den ich hier nur wegen seiner Absurdität vortrage, ist: Die Kommission ist der Ansicht, dass Bauleitpläne eine Regulierung darstellen, weil sie z.B. durch entsprechende Festsetzungen Großunternehmen an der Niederlassung hindern könnten. Das wäre aber eine Einschränkung der Niederlassungs- freiheit. Natürlich gehen bei uns sowohl der Städtetag als auch der Gemeindetag bereits auf die Barrikaden und verteidigen die Planungshoheit der Gemeinden.

Doch will ich gerne auch von Positivem berichten.

1. Zur Vergaberichtlinie wurde von der EU ein Vergabeleitfaden herausgegeben, der einige Forderungen der BAK aufnimmt und Qualität vor Preis setzt. Diese gibt es vorerst leider nur in Englisch. Es gibt aber auch eine sehr nützliche Broschüre der BAK.

2. Die spanischen Kollegen kämpfen für ein Baugesetz in Spanien auf Basis der Davoser Erklärung.

3. Es gibt ein größeres EU Funding Projekt, das sich ausdrücklich auch an Architekten wendet. Es nennt sich: Creative Europe. Mehr dazu findet, wer sich dafür interessiert, im Internet.

4. Charta Architectura Europa:
Auf Initiative unseres Präsidenten Matthias Irmscher ist die VfA im ACE
dabei, eine Arbeitsgruppe zu initiieren, die auf der Basis der Davoser Erklärung eine Charta formuliert, die sich für eine größere Beachtung der Architektur einsetzt und den Zusammenhang von auskömmlichen Honoraren und Qualität eindringlich verdeutlicht. Hier haben sowohl belgische, luxemburgische als auch spanische Kolleginnen und Kollegen bereits wertvolle Vorarbeit geleistet.

Schließen möchte ich mit einem Aufruf: Unser größter Verbündeter auf EU-Ebene ist das europäische Parlament. Es ist aber nur so stark gegenüber der Kommission und dem Europarat, wie es durch eine entsprechende Wahlbeteiligung bei der Europawahl unterstützt wird. Durch den Brexit verringert sich die Zahl der Sitze sowohl absolut, als auch zu Gunsten kleinerer Staaten. Damit verändern sich voraussichtlich die politischen Gewichte innerhalb des Parlaments.
Deshalb ist es sehr, sehr wichtig, dass wir alle zur Wahl gehen und europafreundliche Parteien wählen. Vielen Dank.

Görlitz, 26.10.2018
Alexander Schwab Vizepräsident der VfA